Verkehr ohne Regeln?
4. Internationale Verkehrstage in Wuppertal: Wie sieht Infrastruktur für eine alternde Gesellschaft aus – wie planen wir heute unser Morgen richtig?
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Full house bei den Internationalen Verkehrstagen |
Ist die schilderfreie Stadt Vision oder Illusion? "Verkehrsinfrastruktur für eine alternde Gesellschaft – Wie planen wir heute unser Morgen richtig" war das Thema der 4. Internationalen Verkehrstage mit 220 Teilnehmern aus 13 Ländern, darunter Verkehrs- und Planungsexperten aus Israel, Albanien, dem Libanon und der Republik Korea. Die Auswirkungen der demografischen Veränderungen auf das Verkehrsgeschehen und die damit verbundenen Anpassungen der Infrastruktur wurden von 20 Referenten, unter anderem aus Norwegen, Spanien und Großbritannien, beleuchtet.
Das Fachzentrum Verkehr im Fachbereich D, Bauingenieurwesen-Sicherheitstechnik-Maschinenbau der Bergischen Universität hatte unter der Federführung von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gerlach gemeinsam mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, der Otto-Eugen-Butz-Stiftung und dem ADAC Stadt- und Verkehrsplaner, Consultants, Fachjournalisten sowie Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung aus dem In- und Ausland nach Wuppertal eingeladen.
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Der geheimnisvolle "Age-Explorer" im praktischen Einsatz |
Vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen und dem daraus resultierenden Einfluss auf die Verkehrssituation in Europa ging es um die Fähigkeiten im Alter sowie um entsprechende Kompensationsmöglichkeiten. Der Mensch ist auch im hohen Alter durchaus noch sehr lernfähig: Erkenntnisse aus der Neuropsychologie belegen die Anpassungsfähigkeit älterer Menschen.
Themenblöcke wie "Stadt- und Verkehrsplanung unter besonderer Berücksichtigung der Mobilität im Alter" und "Neue Aspekte zur Barrierefreiheit und Design für alle" beleuchteten die veränderten Bedürfnisse der Zukunft.
Heftig diskutiert wurde die Vision eines "Shared Space", wonach der Straßenverkehr "entregelt", Schilder abgebaut und Flächen für den Kfz-, Rad- und Fußgängerverkehr ohne jegliche trennenden Elemente einheitlich gestaltet werden. Solche Lösungen sind in den Niederlanden schon realisiert – gegenseitige Kommunikation und Rücksichtnahme stehen im Vordergrund und – es wird einfach langsamer gefahren. Die Gemeinde Bohmte (Kreis Osnabrück) will bis 2008 ein solches Konzept umgesetzt haben. Fraglich sei, hieß es unter den Experten der Wuppertaler Tagung, bis zu welchen Verkehrsmengen so genannte Mischverkehrsflächen, wie es sie in Deutschland in verkehrsberuhigten Bereichen ("Spielstraßen") und bisher nur mit geringen Verkehrsbelastungen gib, realistisch sind.
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Zahlreiche Aussteller präsentierten sich im Foyer des Campus Haspel. |
Einigkeit bestand unter den Experten darin, dass Barrierefreiheit für alle Vorteile bringt. Ein "Design for all" wird dabei sowohl den demografischen Veränderungen als auch der Nachhaltigkeit gerecht. Rad- und Fußgängerverkehr wurde intensiv betrachtet, weil in Deutschland jeder zweite getötete Fußgänger und jeder zweite getötete Radfahrer über 65 Jahre alt ist. Die Forderung lautete deshalb: Zunächst die Verkehrssicherheit für Menschen auf Rad- und Gehwegen gewährleisten und erst dann die verbleibende Leistungsfähigkeit und Breite der Fahrbahnen festlegen. Dazu sei ein Umdenken vieler Planer erforderlich, um die Verkehrssicherheit älterer Menschen und natürlich insbesondere auch von Kindern in den Blickwinkel zu rücken.
Ältere Autofahrer haben mit komplexen Situationen immense Schwierigkeiten. Viele Unfälle passieren beispielsweise beim Linksabbiegen und vor allem bei gleichzeitiger Freigabe entgegenkommender Geradeausfahrer an Ampelkreuzungen. Solche Steuerungen, so eine weitere Forderung, sollten künftig vermieden werden.
In einem interaktiven Ausstellungsbereich hatten die Teilnehmer der Wuppertaler Tagung, an der auch fast 20 Journalisten teilnahmen, Gelegenheit, in einem "Age- Explorer", einem Anzug (!) zur Simulation von Alterserscheinungen, die körperlichen Beeinträchtigungen des Alterns am eigenen Leib zu testen.
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