Die Uni im Wettbewerb
Erstsemester-Einschreibungen an der Bergischen Universität:
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Rektor Prof. Dr. Volker Ronge |
Im Wintersemester 2006/07 sind an der Bergischen Universität 1741 Erstsemester immatrikuliert. Insgesamt verzeichnen wir damit ansehnliche 13.676 Studenten. Welche Veränderungen verstecken sich hinter diesen Pauschalzahlen, und wie sieht es in den einzelnen Fächern bzw. Studiengängen aus? Statistik ist bekanntlich vermintes Gelände. Deshalb kommt es auf Präzision der Datendefinitionen und plausible Analyse an – sonst sind Missverständnisse oder gar Manipulationen unvermeidbar…
Konzentrieren wir uns hier auf die tatsächlichen "Erstsemester", also auf Studenten, die sich erstmalig an einer Hochschule eingeschrieben haben und deren Studium also auch mit dem ersten Fachsemester startet. Denn es gibt immer eine nicht geringe Zahl an Studenten, die von einer anderen Uni nach Wuppertal gewechselt sind oder die zwischenzeitlich exmatrikuliert waren und ihr Studium jetzt wieder aufnehmen. 520 derartige "Neueinschreiber" kamen jetzt im Herbst an die Bergische Uni. Im Sommersemester waren es 273 – auf’s Jahr bezogen also ein Zugang von 793 Studierenden, die für das Gesamtbild den Ersteinschreibern hinzuzurechnen sind.
Auf diesen zusätzlichen Zugang gehe ich hier aber nicht ein, sondern konzentriere mich auf den Erstsemester-Zugang, weil der etwas über die Attraktivität der Bergischen Universität bzw. ihrer Fächer und Studiengänge aussagt, also Aufschluss über den Wettbewerb zwischen den Universitäten gibt. Gerade regional ist die Uni Wuppertal ja von um Studenten werbenden Universitäten geradezu umzingelt.
Meine Ausführungen beziehen sich auf Studenten-"Köpfe". Die "Belastung" der Fächer und Studiengänge bzw. Fachbereiche lässt sich daraus nicht unmittelbar erschließen, weil nicht wenige Studenten zwei oder mehr Fächer studieren, z.B. gilt dies für Lehramtsstudenten. Auch gibt es in Wuppertal Bachelor-Studiengänge, die - ähnlich dem Lehramtsstudium - für alle auf zwei (gewählte) Fächer angelegt sind. Und auch im 1-Fach-Studium müssen häufig andere Fächer mitstudiert werden, z.B. Mathematik von Physik- oder Elektrotechnikstudenten.
Wie stellt sich insgesamt der Erstsemester-Zugang dar, und wie ist der aktuelle Zugang im WS 2006/07 im Trend zu bewerten? Der Erstsemester-Zugang beträgt im laufenden Wintersemester 1741 Studierende, die 220 des vergangenen Sommersemesters aufaddiert ergibt das 1961 Erstsemester im Studienjahr 2006/2007. Im Studienjahr 2005/2006 waren es 2275 Erstsemester, im Studienjahr 2004/2005 sogar noch 2807. Unser Erstsemester-Zugang ist also in diesen drei Jahren erkennbar gesunken. Dahinter verbergen sich Faktoren, die in unterschiedlicher Richtung wirken, und zum Teil haben wir das auch gezielt gesteuert:
Der früher gesamthochschul-charakteristische Zugang von Studenten mit Fachoberschulreife ist jetzt ausgelaufen. Erstmalig ist nur noch die Einschreibung mit allgemeiner Hochschulreife (Abitur) möglich. So steht die Bergische Uni jetzt ohne Einschränkung in Konkurrenz um Studenten mit den Universitäten und nicht mehr mit Fachhochschulen.
Früh und auf breiter Front wurde in Wuppertal die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge (Bologna-Prozess) angegangen – eine strategisch richtige Entscheidung, die aber zunächst (noch) einen Wettbewerbsnachteil für Wuppertal mit sich brachte: Weil andere Universitäten nicht so zügig auf den Bologna-Prozess eingestiegen sind, haben viele Studenten zur Sicherheit eher den traditionellen Weg mit Diplom- oder Magister-Abschluss an anderen Hochschulen gewählt. Aber auch ein unverhoffter Wuppertaler Wettbewerbsvorteil ergab sich: Die Einstellung der Lehrerbildung in Bonn und Düsseldorf hat sich für uns positiv ausgewirkt, ohne dass sich dies genau beziffern ließe.
Eine von uns selbst veranlasste strategische Begrenzung des Studentenzugangs erfolgte nach den unkalkulierbar hohen Zugängen im vergangenen Wintersemester 2005/06. Nach dieser Erfahrung wurde in mehreren Fächern (Deutsch/Germanistik, Englisch/Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaft) ein so genannter Orts-NC eingeführt. Außerdem wurde der Anfängerzugang (auch) im Sommersemester in Fächern, wo das noch möglich war, abgeschafft.
Schließlich ist die Einführung von Studienbeiträgen für Studienanfänger zum Wintersemester zu nennen – nicht alle Unis im Umkreis haben das bereits in diesem Semester getan. Möglicherweise hat sich das auf Entscheidungen, an welcher Universität man das Studium aufnimmt, ausgewirkt.
Schauen wir uns exemplarisch zunächst die Entwicklung der Erstimmatrikulationen in der Wirtschaftswissenschaft an. Dabei konzentriere ich mich auf diejenigen Studenten, die ausschließlich dieses Fach – mit Abschluss Diplom (alt) oder Bachelor (neu), beides läuft noch parallel – gewählt haben: Im laufenden Wintersemester 2006/2007 sind 94 Erstsemester im Diplomstudiengang und 106 im Bachelor eingeschrieben, macht 200 (aufs Studienjahr kumuliert, also 3 Zugänge aus dem Sommersemester eingerechnet, 203). Zum Vergleich die beiden Vorjahre: 2005/2006 waren es 268, im Studienjahr 2004/2005 sogar noch 652.
Extreme Zugänge in 2004/05 hatten uns zur Begrenzung des Zugangs gezwungen, zunächst ohne NC und dann, als das nicht half, zum WS 2005/06 mittels Einführung eines Orts-NC. Diese Maßnahme hat erkennbar gegriffen. Sie war umso nötiger, als auch noch eine ganze Reihe von Studenten mit Wirtschaftswissenschaft im Neben- oder Zweitfach bedient werden müssen.
In dem so bewusst begrenzten Zugang zu den Wirtschaftswissenschaften (im Hauptfach) versteckt sich gleichwohl ein bemerkenswerter Wuppertaler Wettbewerbserfolg: Trotz des Wegfalls der Fachoberschul-Absolventen, die im Vorjahr noch satte 47 Prozent (!) ausmachten, hat sich der Zugang auf Abiturienten bezogen gegenüber dem Vorjahr um glatte 40 Prozent erhöht.
Im Bereich der technischen Studiengänge zeigen sich uneinheitliche Entwicklungen, die sich zumeist nicht steuern lassen. Sehr erfreulich ist, dass der erst 2005 in Nachfolge des früheren Fachhochschulstudiengangs eingeführte universitäre Bachelor-Studiengang im Maschinenbau mit 51 Erstsemestern gegenüber 38 im Vorjahr gut angenommen wird.
Weniger erfreulich sieht es etwa im Bauingenieurwesen aus. Die von der Entwicklung in der Baubranche verursachte Abkehr des Interesses konnte noch nicht gestoppt werden: Nach 84 Erstsemestern im Vorjahr sind jetzt nur 61 Neue eingeschrieben. Im Detail allerdings auch hier positive Aspekte: Der neu eingeführte Bologna-gerechte Bachelor-Studiengang wird angenommen, wenn auch in Konkurrenz zum Diplom noch auf niedrigem Niveau. Positive Nachfrage verzeichnet auch der besonders zukunftsträchtige und in NRW allein in Wuppertal betriebene duale Bachelor, der eine gewerbliche Ausbildung mit dem Studium verbindet.
Durch die Einstellung der Lehrerausbildung in Bonn und Düsseldorf hat sich an allen anderen NRW-Universitäten mit verbliebener Lehrerausbildung ein erheblicher Nachfragedruck ergeben. In vielen Fächern sind deshalb an den meisten Unis Zugangsbeschränkungen eingeführt worden. Auch wir haben für die hoch nachgefragten Unterrichtsfächer Deutsch/Germanistik und Englisch/Anglistik sowie für Geschichte einen Numerus Clausus eingeführt. Allerdings wurden zugleich die Lehrkapazitäten deutlich erhöht, um die Zugangsbegrenzung nicht allzu hart ausfallen zu lassen.
Beides zusammen hat z.B. in Deutsch/Germanistik dazu geführt, dass der NC im laufenden Semester praktisch keine Auswirkung hat, denn alle Studienbewerber konnten aufgenommen werden. Beide Studienmöglichkeiten zusammen genommen – traditionelles Staatsexamen und Bachelor-Studium ("Wuppertaler Modell" mit 2 Fächern, Deutsch als Hauptfach) haben sich 228 neue Lehramtsstudenten in Deutsch/Germanistik eingeschrieben. Im Vorjahr waren es 209 im Jahreszugang, in 2004/05 (noch ohne Zugangsbeschränkung) 431.
Das Resümee unserer Betrachtung: Der Studentenzugang hat sich auf einem Niveau stabilisiert, das den Ressourcen der Bergischen Universität insgesamt angemessen ist. In der Kapazitätsberechnung wirkt sich freilich unübersehbar eine Hochschulpolitik mit ganz erheblichen Zumutungen und Belastungen für das akademische Personal (Stellenabbau, Mittelverknappung, Lehrdeputatserhöhung, erhöhter Betreuungs- und Prüfungsaufwand im Zuge der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge ohne Anpassung der sog. Curricular-Normwerte) aus.
Uneinheitliche Entwicklungen in der Erstsemester-Nachfrage sind nicht neu, aber für eine Universität wie die Wuppertaler mit ihrem unkonventionell breiten Fächerspektrum stellen sich schwierige Steuerungsaufgaben hinsichtlich Personal und Geld, um die unterschiedliche Aus- und Belastung der Fächer einigermaßen auszugleichen.
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Erschienen am: 27.11.2006
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