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Zum Globalhaushalt – der radikalen hochschulpolitischen Innovation

Von Rektor Prof. Dr. Volker Ronge

 

Rektor Prof. Dr. Volker Ronge

Mit dem 1. Januar 2006 ist an Nordrhein-Westfalens Hochschulen der so genannte Globalhaushalt eingeführt worden. (Der Umstand, dass wegen noch nicht beschlossenen Landeshaushalts 2006 zunächst die mit einigen Beschränkungen verbundene so genannte vorläufige Haushaltsführung erfolgen muss, ist davon unabhängig – und hier nicht Gegenstand meiner Ausführungen.) Mit dem Globalhaushalt wird die staatliche Finanzierung der Hochschulen auf eine geradezu paradigmatisch neue Grundlage gestellt. Für die Hochschulen – die Verwaltung ebenso wie die Letztverwender der Haushaltsmittel – bedeutet das Neuland, mit dem umzugehen erst gelernt werden muss.

Genau besehen könnte der neue Finanzierungsmodus der Hochschulen auch "Zuschusshaushalt" genannt werden. Beide Qualifikationen – "global" und "Zuschuss" –treffen nämlich zu:

-         Mit dem Attribut "global" lässt sich der Umstand charakterisieren, dass alle vom Landeshaushalt an die Hochschule übermittelten Ressourcen nurmehr in wenige große Teilmengen ("Titel") untergliedert werden: Mittel für den laufenden Betrieb, das sind Personalmittel und Sachmittel (einschließlich der Mittel für Lehre und Forschung), und Investitionsmittel, in denen zur Zeit noch die HBFG-Investitionen (für Bauten und Großgeräte) aus der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe ausdifferenziert werden, die aufgrund der geplanten Föderalismusreform aufgegeben werden soll. In den Mitteln für den laufenden Betrieb besteht praktisch Verwendungsfreiheit; und mit wenigen Beschränkungen sind die Personal- und Sachmittel auch untereinander "deckungsfähig", austauschbar. Diese Globalisierung der Mittelzuweisung bildet den Abschluss einer Entwicklungsgeschichte, an der die Bergische Universität von Anfang an insofern beteiligt gewesen ist, als sie Anfang der 90er Jahre Modellhochschule für die Einführung von Finanzautonomie, einer Vorstufe des Globalhaushalts, war. Mit dem nun erreichten Globalisierungszustand in der Hochschulfinanzierung steht NRW an der Entwicklungsspitze der Bundesländer.

-         Während der Globalitätsaspekt eher administrativ zu lesen ist, bezeichnet der Terminus "Zuschusshaushalt" einen politischen Aspekt; er bildet von daher die wesentlich bedeutsamere Qualifizierung der Innovation. Bei allen neuen Haushaltstiteln handelt es sich um (bloße) "Zuschüsse" zum Budget der jeweiligen Hochschule – was, sowohl realistisch wie politisch gemeint und gewollt, impliziert, dass keine hundertprozentige Vollfinanzierung der Hochschulen durch den Staat bzw. Landeshaushalt mehr erfolgt, sondern die Hochschulen zur Mobilisierung weiterer, eigener Finanzquellen aufgefordert und gezwungen werden. (Nur für die Forschung ist dieser Verweis auf so genannte Drittmittel ja in den Hochschulen seit langem üblich.) Eine dieser sonstigen Einnahmequellen bilden übrigens die nunmehr zeitgleich eingeführten allgemeinen Studienbeiträge (worauf ich hier allerdings nicht speziell eingehe). Sie müssen (und können) Verluste aus der staatlichen Mittelzuweisung kompensieren.

-         Am Rande sei erwähnt, dass die Forschungs-Drittmittel, die es ja traditionell in erheblichem Umfang gibt, in Zukunft separat von den eigentlichen, staatlichen Mittelzuweisungen, sozusagen außerhalb des Hochschulhaushalts, geführt werden.

Ein durchaus positiver Nebeneffekt des pauschalen Haushaltszuschusses besteht darin, dass die Mittelzuweisung nicht mehr mit einer Verausgabung im jeweiligen Haushaltsjahr gekoppelt ist. Die zugeteilten Mittel gelten aus Sicht des Landes als ausgegeben und verbraucht (die Landeshaushaltsordnung gilt für die Mittelverwendung natürlich weiterhin, und der Landesrechnungshof prüft auch in Zukunft); nicht verausgabte Mittel kann die Hochschule behalten und weiter verwenden, auch überjährig. Somit ist Rücklagenbildung möglich. Sparsame Mittelverwendung wird also stärker belohnt als im bisherigen Modell.

Für die drei Mittelarten des Global- bzw. Zuschusshaushalts hebe ich nachfolgend die Neuerungen respektive die Besonderheiten hervor:

1. Personalbudget: In diesem Bereich – der bei den Hochschulen etwa zwei Drittel bis drei Viertel des Gesamthaushalts ausmacht – erfolgt die radikalste Veränderung. Ein pauschales Personalbudget tritt, in diesem Jahr erstmalig und in Zukunft immer, an die Stelle von im Haushaltsplan des Landes genau aufgeführten Stellenzuweisungen, die je nach Besetzung aus dem Landeshaushalt "ausfinanziert" wurden. An unserer Universität handelt es sich in 2006 um ein Budget in Höhe von 64,36 Mio. Euro. (Auf das Zustandekommen dieser Budgethöhe gehe ich hier nicht näher ein; das den Hochschulen zugewiesene Budget wurde auf der Basis von Landesdurchschnittssätzen in den einzelnen Gehaltsstufen berechnet und dann auf 96,8 Prozent gekürzt. Die Sache ist politisch entschieden, wir müssen damit leben.) Mit diesem Budget müssen die vorhandenen Stellenbesetzungen finanziert werden. Wir können autonom neue "Stellen" schaffen, sofern wir die Mittel dafür aufbringen können; wir können auch freie oder freiwerdende "Stellen" streichen oder vorübergehend nicht besetzen und das entsprechende Geld einsparen und anderweitig verwenden. Ausgenommen davon sind nur die Beamten; deren Stellen können nicht hochschulautonom variiert werden, das konkret vorhandene Personal ist aber aus dem Budget zu finanzieren. Als Personalbudget (2006 usw.) haben wir weniger Geldmittel zugewiesen erhalten, als wir zur Ausfinanzierung aller vorhandenen und (dauerhaft) besetzten Stellen eigentlich benötigen. Das ist der politische Aspekt: Mit der Denkfigur der Effizienzsteigerung, die eine Mittelzuweisung unterhalb der Ausfinanzierung nach sich zieht, nimmt sich das Land aus der Hochschulfinanzierung gleitend zurück. Diese "Effizienzprämie" wird sich vermutlich in Zukunft darin zeigen, dass das Land Tarifsteigerungen von Löhnen und Gehältern nicht oder nur teilweise übernimmt, sie vielmehr der Verkraftung und eigenen Bewirtschaftung der Hochschulen überlässt.

2. Sachmittel: In diesem Bereich sind die Veränderungen erstens geringfügiger und zweitens von anderer Art, außerdem bereits bekannt und sozusagen eingeübt. Ausgehend von der so genannten indikatorisierten Mittelverteilung – unter den Hochschulen des Landes insgesamt – der Titelgruppe 94 (Sachmittel für Lehre und Forschung), die schon vor Jahren mit großzügiger Deckungsfähigkeit (und sogar Übertragbarkeit ins Folgejahr) der Mittel eingeführt worden war, wurde schon unter der früheren (rot-grünen) Regierung eine eigentlich systemfremde Regelung eingeführt, nach der die indikatorisierte Mittelverteilung über die Titelgruppe 94 hinaus auf einen Prozentanteil des Gesamthaushalts ausgedehnt wurde. Derzeit werden 20 Prozent des Hochschulhaushalts nach diesem Indikatorenmodell unter den Hochschulen verteilt, was bei uns etwa das Doppelte der bisherigen Titelgruppe 94 ausmacht. Die Indikatorisierung, die an sich für die Bereiche von Lehre und Forschung noch angehen mag, wird nunmehr sachunabhängig-pauschal angewandt: auf infrastrukturelle, d.h. inflexible Bereiche wie Bibliothek, Studienberatung und Rechenzentrum mitangewendet sowie, noch befremdlicher, auf die Verwaltung, auf Energie- und Unterhaltskosten usw. Die Zuteilung dieses Teils des Haushalts wird weitergeführt wie bisher. Der neue Titel heißt aber nun schon offiziell "Zuschuss"; das entspricht leider auch den Ergebnissen an unserer Universität: wir verlieren durch die landesweite Umverteilung Jahr für Jahr mit "Kellertreppeneffekt", wie bei negativer Zinseszinsrechnung, erhebliche Mittel. Diese spart allerdings, anders als beim unterfinanzierten Personalbudget, nicht "der Finanzminister" ein, sondern sie kommen anderen Hochschulen zugute: es ist eine Umverteilung im Land.

3. Investitionszuschüsse: Investitionsmittel werden in der Hauptsache unter konkreter Definition und Bestimmung von Projekten im Zuge von Zielvereinbarungen zwischen der einzelnen Hochschule und dem Ministerium zugeteilt. Sie sind dann nur für den jeweiligen Zweck zu verwenden und nicht etwa als laufender Verbrauch zu "konsumieren". Das ist natürlich vollkommen in Ordnung. (Mit der Föderalismusreform wird die Bund-Länder-Kofinanzierung – im HBFG-Verfahren – beendet. Wie es nunmehr im Land weitergeht, ist noch weitgehend offen.)

Die Hochschulleitung plant, die Bewirtschaftung des Personalbudgets ab 2007 in die Verantwortung der Fachbereiche hinein zu dezentralisieren. Über die Budgetverteilung, sozusagen die Anfangsbilanz, muss jedoch zunächst noch beraten und dann entschieden werden, weil hier der bekannte Teufel im Detail sitzt.

Eine ökonomische Personal"haltung" ist nämlich in den verschiedenen Uni-Bereichen unterschiedlich möglich. Vereinfacht: Je mehr "natürliche" Personalfluktuation (die natürlich in Zusammenhang mit unterschiedlichen Funktionen steht), umso bessere Chancen der "Personalökonomie". Dies wird in der Dezentralisierung der Personalbudgetverantwortung zu berücksichtigen sein.

Nachdem mit dem neuen globalen Zuschuss-System die bisherige Annehmlichkeit von Mittelschöpfungen aus unbesetzten Stellen entfallen ist, muss das Rektorat sich einen Verfügungsfonds aus dem (wie gesagt, verknappten) Personalbudget reservieren, um Mittel zur Bedienung von Rufannahme-Ausstattungen zu bekommen. In zentraler Verfügung und Reserve verbleibt natürlich auch der Verfügungsrahmen für Berufungs-, Leistungs- und Funktionszulagen.

Die Ressource Personal ist in Zukunft nicht mehr "einfach da", vorhanden, sondern sie wird, wie alle anderen Ressourcen auch, als – disponibler, variabler – Wert angesehen, unter Bezug auf ein geldförmiges Budget. Daraus resultieren - effektivitäts- und effizienzbezogen - Einsparzwänge und Einsparmöglichkeiten: insbesondere durch Einsatz (und Bezahlung) von Personal nur dann, wenn es unbedingt gebraucht bzw. genutzt wird.

Nicht nur werden die staatlichen Mittel für die Hochschulen knapper, es wird auch eine veränderte Mentalität im Umgang mit diesen Ressourcen gefordert: beim Personalbudget in besonders radikaler Weise.

 

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