Wer entscheidet, wann ich sterbe?
17. Bergischer Gerontologietag der Universität Wuppertal
Wer entscheidet, wann ich sterbe? Diese Frage stand im Mittelpunkt des 17. Bergischen Gerontologietags des Instituts für Soziale Gerontologie und Alternsmedizin e. V. (ISOGAM) an der Bergischen Universität Wuppertal.
Die Veranstaltung befasste sich nicht in erster Linie mit dem Thema aktive Sterbehilfe, sondern mit der Möglichkeit von Patienten, auf ungewollte lebensverlängernde, also leidens- bzw. Sterbensverlängernde medizinische Maßnahmen zu verzichten. Als Referenten konnten Experten mit großem Erfahrungsschatz aus der Praxis im Umgang mit Sterbenden berufen werden.
Nach Begrüßung durch Rektor Prof. Dr. Volker Ronge wurde die brisante Thematik einleitend aus Sicht des Intensivmediziners Dr. Thomas Binder, Oberarzt für Hämatologie/Onkologie der Helios-Kliniken, Wuppertal, anhand von Fallbeispielen umrissen: Die Selbstbestimmung, in unserer Gesellschaft eines der höchsten Güter, gibt dem Patienten prinzipiell die Möglichkeit, weitere lebensverlängernde Maßnahmen abzulehnen. Weil es aber oberstes Gebot der Medizin ist, den Patienten zu heilen, besteht bei der Einstellung der Behandlung unheilbar Kranker durch den Arzt die Gefahr einer Pflichtverletzung – mit allen juristischen Konsequenzen. Besonders kritisch kann es für den Arzt werden, wenn der Patient nicht mehr selbst entscheidungsfähig ist oder sich nicht mehr äußern kann. Für einen solchen Fall ist eine Patientenverfügung wichtig, in der auch eine Vertrauensperson benannt werden sollte, die notfalls gemeinsam mit dem Arzt entscheiden kann.
Im Zweifelsfalle wird ein Vormundschaftsgericht die Feststellung des mutmaßlichen Willens eines Sterbenden, der sich nicht mehr selbst äußern kann, treffen. Neben dieser sog. passiven Sterbehilfe gibt es die sog. indirekte Sterbehilfe: Im Allgemeinen wird es heute für zulässig gehalten (und scheint gängige Praxis zu sein), Schwerstkranken, die unter erheblichen Schmerzen leiden, schmerzlindernde Medikamente in so hoher Dosierung zu geben, dass als Nebenwirkung eine Verkürzung des Lebens eintreten kann. Die in diesen Zusammenhängen entstehenden juristischen Probleme erläuterte auf der Tagung der Wuppertaler Fachanwalt für Familienrecht, Ulf Siepermann.
In die Diskussion um ein menschenwürdiges Sterben aus Ethik und Theologie führte Prof. Dr. Ulrich Eibach vom Universitätsklinikum Bonn ein: Seit Immanuel Kant wird – aufbauend auf Traditionen aus der Antike – die Würde des Menschen von der Vernunft und seiner Autonomie (Selbstbestimmtheit) her verstanden. Daraus würde folgen, dass ein nicht selbst bestimmtes Leben und Sterben "unwürdig" ist. Eine solche Auffassung steht im Gegensatz zur christlichen Ethik, nach der Gott dem Menschen seine Würde geschenkt hat, indem er ihn zu seinem Partner erwählt hat. Demnach ist alles Leben lebenswert, auch das von Schwerstbehinderten oder Schwerstkranken, die nicht mehr über sich selbst bestimmen können. Leben beginnt und endet in einer Passivität, die durch die Aktivität Anderer bedingt ist. Es verliert seinen Wert nicht, auch wenn es vollständig auf die Hilfe Anderer angewiesen ist.
Über psychologische Erfahrungen von Sterbenden und Menschen, die mit ihnen beruflich oder als Angehörige zu tun haben, berichtete Prof. Dr. Randolph Ochsmann von der Universität Mainz. In diesem Zusammenhang spielt auch die Bewältigung der Angst vor dem Tod und vor Schmerzen eine wichtige Rolle. Schließlich stellte Prof. Dr. Franco Rest von der Hospizbewegung Essen Möglichkeiten für die Verbesserung der Lebensqualität Sterbender und ihrer Angehörigen im ambulanten und stationären Bereich dar. Alle Referenten nahmen abschließend an einer Podiumsdiskussion teil. Die Leitung des 17. Bergischen Gerontologietages hatten Prof. Dr. med. Johannes Jörg, Direktor der Klinik für Neurologische und klinische Neurophysiologie des Helios-Klinikums Wuppertal, und Prof. Dr. Wolfram Boucsein, Fachgebiet Physiologische Psychologie im Fachbereich Bildungswissenschaften der Bergischen Universität und Vorsitzender von ISOGAM.
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Erschienen am: 31.01.2006
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